Review of the Dave Matthews Band Tour 2007
27 May, 2007 Forest National (Brussels)
by Sascha Knapek

Als europäischer Fan der Dave Matthews Band (DMB) hatte man es in den letzten neun Jahren schwer. Wenn es ums Thema „Konzerte in Europa“ ging, lebte die Band abstinenter als der Papst. Außer einer 2001 abgesagten und nie nachgeholten Tour war Totenstille. Jahr für Jahr verstrich mit unzähligen Konzerten in Nordamerika, aber keinem einzigen in Europa. Was viele frustrierte, motivierte andere dazu den weiten Weg in die USA auf sich zu nehmen und die DMB in ihrer „gewohnten Umgebung“ zu sehen.

Ende 2006 sickerte durch, dass sich im Jahr 2007 einiges ändern würde und Matthews und seine Mitstreiter nach 1998 wieder Halt in Europa machen würden. Eines dieser fünf Konzerte fand am 27. Mai in Brüssel statt und ich konnte und wollte mir diese langersehnte Gelegenheit nicht nehmen lassen. Vor Ort wurde sofort deutlich, dass es vielen anderen ähnlich ging. Die Sprachen und Nationalitäten vor und im ’Forest National’ bildeten eine Art Multi-Kulti-Gesellschaft die ihresgleichen suchte. Italiener, Franzosen, Niederländer, Amerikaner, Norweger, Deutsche, Belgier und sogar Fans aus Australien waren angereist um die siebenköpfige Band live zu erleben. Die Halle kam auf den ersten Blick gänzlich positiv rüber. Über den Daumen gepeilt 50/50 in Sitz- und Stehplätze unterteilt, erblickten wir eine sympathische Arena in der selbst der schlechteste Platz wohl, verglichen mit anderen Lokalitäten dieser Größenordnung, noch relativ gute Sicht und Atmosphäre versprach. Im Lauf der Zeit füllte sich die Halle fast bis auf den letzten Platz (die Angaben wie viele Besucher genau da waren schwanken erheblich, ich persönlich schätze ca. 8.000). Abzüge bekam das ’Forest National’ allerdings in der B-Note, dazu aber später mehr.

Vor dem Opening-Act betrat Matthews selbst die Bühne um diesen, Tom Morello alias The Nightwatchman, anzukündigen. Das Publikum feierte das kurze Intro so lautstark, dass Dave Matthews dies mit einem „You take my breath away“ würdigte. Es folgte Herr Morello über den ich hier nicht viele Worte verlieren möchte. Er mag es mir nachsehen, aber die rotgefärbten Kampflieder über Gewerkschaften, Bush und Ein-Mann-Revolutionen waren mir persönlich zu flach und durchschaubar. Bei Rage Against The Machine oder Audioslave mag sein Gitarrenspiel gut funktionieren, solo an der Akustikgitarre brauche ich Karl Marx, ähm Tom Morello, nicht. Aber nun genug mit dem Vorspiel und ran an den Speck.

Gegen kurz nach 21:00 Uhr trat die DMB ins Rampenlicht und ordnete sich für die knapp drei folgenden Stunden wie folgt auf der Bühne an (v.l.n.r.): Butch Taylor (Keyboards), Boyd Tinsley (Geige), Carter Beauford (Schlagzeug), Dave Matthews (Gesang, Gitarre), Stefan Lessard (Bass), Rashawn Ross (Trompete) und LeRoi Moore (Saxophon, Klarinette). Mit einem kleinen Auszug aus Daniel Lanois’ „Still Water“ starteten die Amerikaner ins Set und gingen vom ruhigen Intro nach wenigen Minuten in das laut krachende und vor Energie nur so überschäumende „Don’t Drink The Water“ über. Gleich am Anfang wurde klargemacht wo es an diesem Abend hingehen sollte. Hier werden keine Gefangenen gemacht! Auch wenn Matthews stimmlich etwas angeschlagen war und LeRoi Moore mit einer Erkältung zu kämpfen hatte, Vollgas war angesagt. Eigentlich hätten sich Band und Publikum bereits nach dem Opener eine Ruhepause verdient, mit „When The World Ends“ und speziell „Grey Street“ ging es aber genauso energisch und ohne Verschnaufpause weiter. Eben diese Pause bekam man dann mit „Dream Girl“, die Nummer sollte die einzig verzichtbare im Set der DMB bleiben und war die Ruhe vor dem nun folgenden Sturm. Die Kehlen der Zuschauer wurden mit „Crash Into Me“ angewärmt. Wohl der Hit schlechthin, der bereits bei den ersten unverwechselbaren Gitarrenakkorden frenetisch gefeiert wurde. Das anschließende „Jimi Thing“ bot dann das was diese Band aus- und stark macht.

Der an diesem Abend absolut heißlaufende Boyd Tinsley solierte sich mit seiner Geige über die gesamte Bühne und ließ einen staunen, wie man bei diesen Bewegungen noch so gut und energiegeladen Geige spielen kann. Bei den anderen Soloparts im Song standen ihm die restlichen Männer auf der Bühne in nichts nach. Ross’ Trompetensolo und Beauford am Schlagzeug ließen ausnahmslos staunende Gesichter zurück. „Louisiana Bayou“ entwickelte sich gegen Ende hin ebenfalls zu einem Track der das Können der einzelnen Bandmitglieder prima zur Geltung bringt. Song für Song fragte man sich wieso es so lange gedauert hat bis man dieses Liveerlebnis haben durfte. Das erstklassige Publikum wird sicher auch die Band ins Grübeln gebracht haben und wir können nur hoffen, dass hinter der Aussage von Dave Matthews, „We’ll be back soon“, irgendwann in der Mitte des Sets, ein gewisser Wahrheitsgehalt steckt.

Bevor ich zur heißen Phase des Abends komme noch kurz etwas zu den angesprochenen Abzügen in der B-Note. Damit gemeint ist der Sound im ’Forest National’. Die Abmischung (viel zu lauter Bass und den Herrn Taylor hätte man auch etwas leiser stellen können) war nicht gerade ideal und die Hallenakustik mit gutem Willen mittelmäßig. Es spricht für die Band, dass man diese Minuspunkte nur selten, wenn überhaupt, wahrnahm. Man war einfach zu sehr mit Staunen und Freuen beschäftigt um sich mit solchen Banalitäten herumzuärgern.

Nach einer kurzen Erholungsphase, Matthews spielt einen Song („Sister“) solo an der Akustikgitarre und wird gegen Ende unerwartet von Ross, Beauford und Taylor stimmlich begleitet, ging es mit „#41“ weiter. Hierzu begrüßte man Tom Morello samt Akustikgitarre als Gast auf der Bühne. Zu meinem Erstaunen fügte sich der Protestler sehr gut in den Song ein und verlieh ihm einen ganz netten Touch. Seine zweite Rolle als Gast, bei „Satellite“, verlief leider nicht so erfreulich. Sein Gitarrenspiel passte nicht wirklich in die eher ruhige Nummer und hier merkte man auch Matthews seine, insbesondere bei den hohen Gesangparts, Stimmprobleme an. „Crush“, das Neil Young-Cover „Down By The River“, „Stay (Wasting Time)“ und „Ants Marching“ bildeten das hochklassige Quartett mit dem die Band das Mainset beendete. Tinsley geigte sich erneut wie ein Derwisch durch „Crush“. „Down By The River“ war das grandiose Cover von dem ich vorher nur gelesen hatte und obwohl „Stay (Wasting Time)“ nicht zu meinen Lieblingen gehört, verstand ich nach der Performance etwas besser was so viele an diesem Song mögen. Kein erstes DMB-Konzert sollte für einen Besucher ohne „Ants Marching“ enden. Und so war es auch. Wenn man sich bei diesem Staple darauf konzentrierte was Carter Beauford hinter seinem Schlagzeug so alles anstellte, wurde einem warm ums Herz. Es ist schwer in Worte zu fassen wie er dort des Öfteren explodierte und die Felle bearbeitete.

Bei der Zugabe war ich äußerst gespannt was uns nun erwartete. Zwei Abende zuvor in Portugal muss das Publikum so laut gewesen sein, dass die Band für eine doppelte Zugabe rauskam (so was passiert nur ganz, ganz selten bei der DMB) und insgesamt ca. drei Stunden und 30 Minuten spielte. In Brüssel sollte es nicht so lange, aber dafür nicht minder passend werden. Die Matthews Solonummer „So Damn Lucky“ (bei DMB-Konzerten nur äußerst selten gespielt) ging in „American Baby Intro“ über. Matthews verlangte bei dem Stück seiner angeschlagenen Stimme alles ab was ging und schrie sich förmlich von einer Hallenecke in die andere. Den Schlusspunkt setzte zur Freude aller Anwesenden „Two Step“. Jedes einzelne Bandmitglied konnte nun noch einmal zeigen was aus dem jeweiligen Instrument rauszuholen war und dann am Ende einen entfesselt schlagenden Beauford an den Drums bestaunen. Vom Platz neben mir vernahm ich nur die Worte: „Der ist doch gedopt!“.

Nach zwei Stunden und fünfundvierzig Minuten war das Feuerwerk der DMB abgebrannt und die Multikulti-Gesellschaft im ’Forest National’ begab sich freudestrahlend auf den Heimweg. Dieser gestaltete sich dank vom Aussterben bedrohter belgischer Taxis und einer nicht gerade hilfsbereiten Polizei für etliche Besucher leider weniger erfreulich als das soeben gesehene Konzert. Aber nach so einem Erlebnis war das bestenfalls nebensächlich.


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